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Der Pforzheimer Schicksalstag vor 70 Jahren.

Der 23. Februar ist in Pforzheim ein Trauertag. Am 23. Februar 1945 erlebte unsere Stadt bei einem Luftangriff ihre stärkste Zäsur, bei der innerhalb von nur 22 Minuten 17.600 Menschen starben und die Stadt danach in Schutt und Asche lag – 98 % der Innenstadt wurden zerstört. Auch für das Autohaus war dies damals der größte Einschnitt in der bis dato 34jährigen Unternehmensgeschichte, denn es sah in der Altstädter Straße damals so aus:

Altstädter Straße in Pforzheim um 1945

An einen schnellen Weiterbetrieb war damals nicht zu denken, es gab anfangs sogar Überlegungen, die völlig zerstörte Stadt gar nicht mehr wiederaufzubauen. Immerhin überlebte Heinrich Gerstel, der zum Zeitpunkt des Angriffs in einem Bunker nähe des Kanzlerwaldes (bei der Mosterei Lindemann) ausharrte. Da ihm schon am Morgen aufgefallen war, dass Aufklärungsflugzeuge der Royal Air Force über Pforzheim flogen und er ahnte, was da passieren würde, schickte er sein Frau Fanny mit dem wichtigstem Hab und Gut zu den Schwiegerleuten nach Eutingen in die Fritz-Neuert-Straße (früher Friedenstraße).

Spät in der Nacht nach der Zerstörung traf Heinrich in Eutingen zu Fuß ein, sichtlich gezeichnet von dem gerade Erlebten. Er musste mit ansehen, wie aus seiner Werkstatt ein brennendes Trümmerfeld wurde. Einige Monate später starb Heinrich Gerstel Ende 1945 an einer Bruch-Operation. Seine beiden Söhne, die aus dem Krieg zurückkehrten, konnten an gleicher Stelle vorerst nicht weitermachen, denn zu einer Grundstücksräumung bedurfte es einer Räumungsgenehmigung. Solange wurde der Betrieb ausgelagert nach Niefern. Im Vorort von Niefern wurde eine Halle angemietet und währenddessen an der Altstädter Straße wiederaufgebaut. Das Werkstattgebäude steht in den Grundzügen auch heute noch.

Autohaus Gerstel in den frühen 1950ern

Ein weiteres, berührendes Foto aus dieser Zeit zeigt Bruno Gerstel an der damals ebenfalls eröffneten Esso-Tankstelle.

Bruno Gerstel

Das ganze Elend dieser Zeit können wir uns heute gar nicht mehr vorstellen und es ist auch sehr, sehr gut so, dass wir und unsere Kinder in einer Zeit leben, die für uns hier einen fast phantastisch anmutenden Frieden bedeutet. Umso wichtiger ist es, dass wir uns immer vor Augen führen, dass Kriege schlimm sind und großes Leid und Unrecht auf allen Seiten zur Folge hat.

Auch wir sehen natürlich, wie sich das Gedenken rund um den 23. Februar in den letzten Jahren in Pforzheim immer mehr zu einem Politikum entwickelt hat. Wir sagen da: Haltet ein! Was wir nicht wollen, ist Gewalt und Krieg. Und dazu brauchen wir die Erinnerung und das Gedenken. Keine Fackeln und keine Huldigungen einiger verirrter Köpfe und keine Straßenkämpfe.

Günther Gerstel (1946-2015).

Günther Gerstel (1946-2015)Wir haben die traurige Nachricht zu vermelden, dass unser Vater und ehemaliger Geschäftsführer unseres Autohauses am vergangenen Dienstag im Alter von 68 Jahren nach längerer Krankheit von uns gegangen ist.

Günther Gerstel trat im Jahre 1965 als dritte Generation als KFZ-Mechaniker ins Unternehmen ein und führte zunächst mit unserem Großvater Hubert und unserem Großonkel Bruno Gerstel die Geschäfte. 1972 legte er die Meisterprüfung in Karlsruhe ab. Ab 2000 übernahm er alleinig die Geschäftsführung. Im Jahr 2011 ging er in seinen wohlverdienten Ruhestand, seit diesem Zeitpunkt führen Andreas und ich die Geschäfte des Hauses als Familienbetrieb weiter.

Wir wir alle hat auch unser Vater das Autogeschäft vom ersten Tag an hautnah miterlebt, damals noch in den schweren Nachkriegsjahren und der nachfolgenden Zeit des Wirtschaftswunders. Im Autohaus war es ihm vergönnt, gleich fünf Jahrzehnte mitzuerleben, angefangen von den 1960er Jahren mit den stolzen Opel-KAD-Modellen (Kapitän-Admiral-Diplomat) bis hin zum Jahre 2011 mit der Vorstellung des ersten alltagstauglichen Elektrofahrzeug, dem Opel Ampera. „Benzin im Blut“ war auch für ihn kein Fremdwort, sondern Lebensphilosophie und der tägliche, direkte Kontakt mit unseren Kunden eine Selbstverständlichkeit. Ein getrenntes „Chefbüro“ abseits vom Servicebereich? Ein Ding der Unmöglichkeit, auch für ihn.

Was von ihm bleibt sind unendlich viele Geschichten und Taten, nicht nur bei uns, sondern auch bei unseren langjährigen Mitarbeitern und bei vielen unserer Kunden. Beim kleinen Schwätzchen am Rande gab es zu jedem Thema Rat und Tat von ihm, ob nun Freude, Traurigkeit, Erfolge, Niederlagen, Enttäuschungen. Das besondere Etwas in menschlichen Beziehungen, in solchen Situationen eine Empathie für sein Gegenüber zu haben, das hatte auch er und das ist das, was wir auch pflegen und weitertragen. Solche Erinnerungen können unseren menschlichen Verlust sicherlich nicht ersetzen, aber zumindest erträglicher machen. Seine Spuren und Ziele finden sich in unserem gesamten Haus und für uns alle war er bis zuletzt unser wichtigster Ratgeber.

Die Beisetzung fand am gestrigen Montag im engsten Familienkreis statt, so wie es sein persönlicher Wunsch war. Wir bitten dafür um Verständnis. Wir wollen diese Woche auch keine weiteren Artikel im Gerstelblog veröffentlichen, wir machen nächste Woche an dieser Stelle weiter.

Andreas und Timo Gerstel