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Frühe „Product-Testimonials“.

Relikte aus unserem Unternehmensarchiv haben teilweise richtig Seltenheitswerte. Da sind zum Beispiel zwei Lobeshymnen von Interessenten aus dem Jahre 1928 (!), als unser Autohaus noch eine offizielle Vertretung für Fahrzeuge der Horchwerke war. Die Horchwerke bauten zu dieser Zeit echte Oberklasse-Ungetüme mit vier bis fünf Metern Länge, die mit gewaltigen Achtzylindermotoren angetrieben wurden. Eine legendäre Guerilla-Werbeaktion von unserem Firmengründer Heinrich Gerstel zeigt ihn und sieben Freunde in eben so einem Horch-8-Fahrzeug.

Lobeshymne von W. Truckses zum Horch 8 aus dem Jahre 1928Was damals auch üblich war: Autohäuser luden Kunden zu Mitfahrten auf längeren Touren ein. Eine solche Fahrt führte im Herbst 1928 in die Alpen und Dolomiten und ein Mitfahrer neben Heinrich Gerstel war ein Herr Truckses. Das wissen wir deshalb so genau, weil dieser Herr Truckses nach diesem Ausflug eine Lobeshymne schrieb, die auch heute noch, 86 Jahre danach, einen Eindruck gibt, was für ein Spektakel das damals gewesen sein muss. Das Originalschreiben rechts im Bild können Sie in einer Großansicht betrachten, wenn Sie darauf klicken, wir haben hier aber auch mal den Originaltext abgetippt:

Sehr geehrter Herr Gerstel!

Ich erachte es als meine Pflicht, Ihnen nach der gut gelungenen Autotour durch die Alpen und Dolomiten nochmals herzlich zu danken!

Abgesehen von der bekannt glänzenden Fahrweise Ihrer selbst soll denn doch auch die Leistung der Horchmaschine extra anerkannt werden.

Man hatte als Beifahrer das Gefühl, in einem Pullmann-Eisenbahn-Wagen zu fahren, man war nicht gerädert und erholungsbedürftig, wenn man nach vielen Stunden dauernder Fahrt ausstieg, wie man dies bei andern Autofahrzeugen so oft bemerkt; die äusserst ruhige Fahrart des Wagens ist bewunderungswürdig.

Die Maschine selbst — diese 8 Cylinder-Type neuester Schöpfung — verdient ganz besondere Anerkennung. Was hier Ingenieurkunst geschaffen hat, wird sich Bahn brechen bei dem Fahrpublikum, das fähig ist, die Unterschiede bei den heutigen vielen Autoschöpfungen festzustellen.

Die bewältigte Fahrstrecke von hier nach Triest über:

  • Memmingen nach Innsbruck (über Fernerpass)
  • Innsbruck nach Meran (über Jaufenpass 2130 m)
  • Meran nach Triest (über Costalunge 1753 m, Passo del Pordoi 2242 m, Falzarego Pass 2173 m, Mauria Pass 1278 m)

also quer durch die Alpen und über die ganze Dolomitenstrasse, hernach zurück über

  • Laibach – Villach
  • Villach – Radstadt (über Wurzenpass 1071 m, den 28%igen Katschberg 1641 m, die Tauernhöhe mit 1738 m, Pass Thurn 1273 m)
  • Kufstein — München — Augsburg — Ulm — Pforzheim

mit zusammen rund 1900 km wurde von diesem Phänomen eines Motors ohne die geringste Störung bewältigt. Man hatte selbst am 28%igen Katschberg nicht das Gefühl, dass der Motor „es nur schaffe“, man merkte auch an diesem von allen Autlern gefürchteten Berg, dass auch derartige Steigungen spielend vom „Horch 8“ bewältigt werden. Wie schön ist’s, wenn der Fahrer 10 Tage eine derartige Maschine fahren kann, ohne auch nur nach dem Motor zu sehen und ohne sich eine Hand schmutzig zu machen!

Der Verbrauch an Benzin war sehr gering, dass aber auf der ganzen Tour kein Oel nachgefüllt werden musste, ist einfach fabelhaft. Der moderne Mensch muss einer derartigen Maschine Anerkennung zollen.

Ich stelle Ihnen anheim, dieses Dankschreiben beliebig zu verwenden und begrüsse Sie

herzlichst
W. Truckses

lobeshymne_maierWeiterer Mitreisender bei diesem Ausflug – der Horch hatte ja genügend Platz – war ein weiterer Pforzheimer namens Alfred Maier, der ebenfalls eine Lobeshymne auf den Boliden schrieb und Heinrich Gerstel zukommen ließ:

Zurückgekehrt von einer reizenden Ferienfahrt in die Dolomiten und Tauern, wobei ich als Fahrgast auf einem Horch 8-Cyl. teilnahm, drängt es mich, Ihnen als Vertreter dieser Marke, meine volle Anerkennung über Ihren hervorragenden Qualitätswagen zum Ausdruck zu bringen, der sich auf den zum Teil recht schwierigen Pass-Strassen geradezu glänzend bewährt hat.

Besonders auf einer mehrtägigen Reise wirken sich die charakteristischen Eigenschaften des Horch 8-Cyl. wohltuend aus, der bequem eingerichtet und gut gefedert, elastisch und ausgeglichen, dabei zähl und der grössten Kraftentfaltung fähig ist, so dass das Fahren mit demselben ein Erlebnis und ein wirkliches Vergnügen bedeutet.

Ich bin überzeugt, dass sich der Horch 8-Cyl. den besten amerikanischen Qualitätswagen würdig zur Seite stellen kann und zweifle nicht, dass derselbe unter dem sachverständigen Publikum immer mehr Abnehmer finden wird.

Hochachtungsvoll.
Alfred Maier

Ganz große Show und echte Zeitdokumente, die gottseidank während des Zweiten Weltkrieges außerhalb des Autohauses gelagert wurden und daher bei der schweren Bombardierung von Pforzheim am 23. Februar 1945 nicht vernichtet wurden.

Der Horch 8 und echtes Guerilla-Marketing.

Bevor das Autohaus Gerstel ab 1929 Opel-Vertragshändler wurde, war Heinrich Gerstel als Vertragshändler für NSU und Horch tätig, zwei Vorläuferunternehmen der heutigen Audi AG. Ab 1926 stellten die Horch-Werke den so genannten Horch 8 vor, der Heinrich Gerstel offenkundig dazu beflügelte, für dieses Fahrzeug ordentlich die Werbetrommel zu rühren. Ein Metier, dass dem „Techniker“ Heinrich Gerstel nicht schwergefallen zu sein scheint, wie das folgende Bilddokument beweist. Aber fangen wir bei dieser Geschichte von vorn an. 🙂

Der Horch 8

Der Horch 8, der ab 1927 als Achtzylinder gebaut wurde und das Modell 10 M 25 der Horch-Werke ersetzte, gehörte in die Fahrzeug-Oberklasse und hatte auch schon für damalige Verhältnisse gewaltige Dimensionen. In der Pullman-Version war das Fahrzeug schlappe 4,70 Meter lang, 1,77 Meter breit, 1,90 Meter hoch und wog im Leergewicht rund 1,9 Tonnen. Angetrieben wurde dieses Schiff von Auto von einem besagten Achtzylinder im Viertakt mit 3,1 Liter Hubraum und brachte für damalige Verhältniss erstaunliche 60 PS (44 kW) auf die Räder, deren Vorder- und Hinterachsen 3,45 Meter auseinander standen. Die maximale Höchstgeschwindigkeit lag bei 100 km/h. Der durchschnittliche Verbrauch lag bei 19 Litern pro 100 Kilometern, was auch heute noch für ein Auto dieser Dimensionen zumindest nachvollziehbar ist.

Ja, der Horch 8 war nicht nur damals eine stattliche Erscheinung auf den Straßen – er ist es auch heute noch, wenn man so einem Oldtimer noch begegnet.

Wie bewirbt man so ein Automobil?

Diese Frage wird sich auch Heinrich Gerstel gestellt haben, denn immerhin ist die Oberklasse als „Königsklasse“ ein Fall für sich – auch heute noch. Neben der Notwendigkeit für so ein Auto braucht es auch das passende Kleingeld.

Zumindest die Leistungsfähigkeit ließ sich sehr anschaulich dadurch darstellen, indem Heinrich Gerstel – auf dem Foto selbstverständlich am Steuer sitzend – sieben Freunde auf eine Werbespazierfahrt einlud. Eigentlich hat dieses Modell ja nur sechs Sitze, so dass auf den zwei Reihen hinter der ersten Reihe „zusammengeruckt“ werden musste, so dass jeweils drei Personen auf den hinteren Reihen Platz fanden. Auf dem Foto sieht man, dass das nicht allzu schwer gefallen sein musste:

Dieses legendäre Foto wurde zwischen 1926 und 1927 angefertigt und zeigt sehr schön, wie schon sehr früh im Autohaus das Marketing als eine Notwendigkeit gesehen wurde, die möglichst kreativ zu bewerkstelligen ist. Und die Details spielen dabei eine große Rolle: Alle acht Insassen haben jeweils einen Zylinder auf dem Kopf – ist ja eben auch ein Achtzylinder!